Thema des Tages

29-04-2024 13:50


Wissenschaft kompakt

Warum der "Wonnemonat Mai" nur ein ganz großes Missverständnis ist



Der Monat Mai wird gerne "Wonnemonat" genannt. Sonne und Wärme werden
von ihm erwartet. Eine Erwartungshaltung, dem der Mai aber kaum
gerecht wird. Warum eigentlich?



In dieser Woche starten wir in den Mai, den fünften Monat im
gregorianischen Kalender. Er soll nach der römischen Göttin Maia
benannt sein, die am ersten Tag dieses Monats dem Priester Volcanalis
ein Opfer gebracht haben soll. Nach anderen Quellen leitet sich der
Name von Iuppiter Maius ab, dem Wachstum bringenden Jupiter, der
obersten Gottheit der römischen Religion.

Landläufig wird der Mai gerne als "Wonnemonat" bezeichnet. In der
heutigen Zeit wird "Wonne" in diesem Kontext häufig mit sommerlicher
Wärme und Sonnenschein assoziiert. Das Bild von einem Mai, der stets
sonnig und "mollig warm" zu sein hat, wird auch allzu gerne von den
Medien gezeichnet. Doch dieser übermäßigen Erwartungshaltung wird der
Mai selten gerecht. Doch warum ist das so?

Wir wollen uns der Frage zunächst aus sprachhistorischer Sicht
nähern. Der Begriff "Wonnemonat" geht ganz ursprünglich auf das
althochdeutsche Wort "wunnimanod" zurück, was mit "Weidemonat"
übersetzt werden kann. Der Ausdruck wies darauf hin, dass man in
diesem Monat das Vieh erstmals nach einem langen Winter wieder auf
die Weide lassen konnte - übrigens bei Wind und Wetter! Mit "Wonne"
im heutigen Verständnis hat die Bezeichnung also nichts zu tun. Schon
früh wurde das Wort in Richtung des heutigen "Wonnemonats"
umgedeutet. Mit "Wonne" im ursprünglichen Sinne beschreibt man ein
besonders starkes Gefühl von Freude und Glück. Eine spezielle Form
davon sind die sogenannten Frühlingsgefühle, die in uns aufkommen,
wenn das intensiver werdende Sonnenlicht auf unsere Haut trifft und
die Ausschüttung des "Glückshormons" Endorphin in Gang kommen lässt.
Damit wäre der Bogen vom Weide- zum sonnig-warmen Wonnemonat
geschlagen.

Dass ganz alleine der Mai als Wonnemonat diese Frühlingsgefühle
erwecken soll, damit tut man dem Monat dennoch Unrecht - und damit
kommen wir zu den astronomischen und meteorologischen Aspekten. Die
Sonne gewinnt im Mai weiter und deutlich spürbar an Kraft, immerhin
nähern wir uns schon dem astronomischen Sonnenhöchststand zur
Sommersonnenwende am 20. Juni. So erreicht die Sonnenenergie Werte
wie im Juli und August. Dennoch ist es lange nicht warm wie im
Hochsommer, denn der Temperaturverlauf hinkt dem Verlauf des
Sonnenstandes ein bis zwei Monate hinterher. Das liegt daran, dass
Land-, insbesondere aber Wassermassen zunächst viel von der Energie
"schlucken", um sich zu erwärmen. Somit können zum einen über dem
Kontinent lagernde Kaltluftreservoire bei richtiger Strömung bis zu
uns angezapft werden, zum anderen dämpft der kalte Seewind die
Erwärmung über Land noch deutlich. Erst wenn sich alles aufgeheizt
hat, kommen die höchsten Temperaturen des Jahres. Die
Mitteltemperatur auf Basis des Referenzzeitraumes 1991-2020 liegt am
1. Mai bei etwa 11,5 °C, was dem Wert von Anfang Oktober entspricht.
Bis zum Monatsende steigt sie aber deutlich auf gut 15 °C an, was
dann schon vergleichbar mit den Verhältnissen Anfang September ist.

Auch ein Blick in die Historie zeigt, dass der Mai weniger ein
"Wonnemonat" als ein weiterer "Übergangsmonat" ist, der von
Spätwinter bis Frühsommer alles bieten kann. Die beiden kältesten
Mai-Monate seit Beginn regelmäßiger Wetteraufzeichnungen 1902 und
1941 wiesen eine Mitteltemperatur von 8,8 °C und 9,2 °C auf. Frost
und Schnee waren vor allem in der ersten Monatshälfte an der
Tageordnung, "Sommertage" mit Temperaturen über 25 °C gab es bis
Monatsende dagegen nicht. Die wärmsten Mai-Monate 1898 und 2018
dagegen schafften es auf eine Mitteltemperatur von 16 °C. Sommertage
über 25 °C gab es fast überall reichlich und sogar erste Hitzetage
mit Temperaturen über 30 °C wurden registriert.

Sie sehen, dass die Erwartungen, die man heute häufig an den
sogenannten "Wonnemonat" Mai stellt, auf linguistischen
Missverständnissen beruhen und meteorologisch selten erfüllbar sind.
Es wird spannend sein, zu beobachten, welchen Weg der diesjährige Mai
einschlagen wird.


Dipl.-Met. Adrian Leyser

Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 29.04.2024

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